Seit 2008/09 werden die Liga, ihr Beitrag zur österreichischen Zivilgesellschaft und Zeitgeschichte sowie die Geschichte der internationalen Menschenrechte in einem von o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schmale (Institut für Geschichte der Universität Wien) geleiteten Forschungsprojekt untersucht.
Die erste Phase der Forschungen, die sich primär auf die österreichische Liga konzentrierte, wurde vom österreichischen Forschungsförderungsfonds (FWF) finanziert. Als Hauptbearbeiter fungiert von Beginn an MMMag. Dr. Christopher Treiblmayr; seit 2015 unterstützt Mag. Stilyan Deyanov das Projektteam mit seinen Studien zu den rumänischen und bulgarischen Menschenrechtsligen. Enger Austausch besteht mit einer Forschungsgruppe zur Geschichte der Menschenrechte und der Demokratie an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.
Als das Projektteam die Arbeit aufnahm, war bekannt, dass mit der seit 1945/46 erscheinenden Zeitschrift der Liga sowie mit ihrem seit der Wiederbegründung detailliert geführten Nachkriegsarchiv auf eine breite Quellenbasis für die Erforschung der Nachkriegszeit zurückgegriffen werden konnte. Allerdings gingen wir davon aus, dass ihr Vorkriegsarchiv seit der Auflösung 1938 verloren sei. Im Zuge des sogenannten „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich hätten die verantwortlichen Liga-Funktionäre – es waren zu diesem Zeitpunkt nur mehr Männer – die Unterlagen zum Schutze ihrer Mitglieder zerstört oder sie seien von den NS-Institutionen konfisziert worden und dann verschollen. So die Auffassung in der damaligen Liga-Geschichtsschreibung, wie sie maßgeblich von Liga-Alt-Generalsekretär Prof. Dr. Erich Körner geprägt wurde. Er hatte in den 1970er Jahren anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Liga eine historische Artikelserie verfasst, auf die sein Nachfolger Dr. Feliks J. Bister in seinen historischen Forschungen aufbauen konnte. Die Artikelserie war auch eine erste Basis für die Arbeit des Projektteams. Wie sich im Fortgang unserer Recherchen herausgestellt hat, stimmt die Annahme vom Verlust des Archivs 1938 jedoch nur teilweise.
Es hat sich nämlich gezeigt, dass der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS das 1938 in Wien beschlagnahmte Material nach Berlin verschaffte und durch ein eigenes Österreich-Auswertungskommando „nach weltanschaulichen Gesichtspunkten“ auswertete, wie die Nationalsozialisten das nannten. Die Archivalien wurden zu Ende des Zweiten Weltkriegs erneut konfisziert, die Rote Armee verbrachte sie in ein „Sonderarchiv“ des späteren KGB nach Moskau. Trotz der bekannt schwierigen Arbeitsbedingungen in diesem „Sonderarchiv“ konnte Treiblmayr bei einer Forschungsreise nach Moskau 2010 umfangreiches Aktenmaterial zur Liga auffinden, darunter bislang unbekannte Gründungsdokumente der Liga.
2018 bis 2020 konnte mit finanzieller Unterstützung des Zukunftsfonds der Republik Österreich (Projekt P17-3022), des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus sowie der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien ein weiteres Teilprojekt realisiert werden. Die im bisherigen Projektverlauf zusammengetragenen Unterlagen aus der Zeit vor der Auflösung 1938 wurden in das Nachkriegsarchiv der Liga integriert, das 2017 über Vermittlung des Projektteams dem außeruniversitären Forschungszentrum QWIEN als Dauerleihgabe übergeben wurde. Außerdem konnte das von HR Dr. Claus Perko geführte Archiv der Landesstelle Steiermark sowie Material aus den Privatarchiven von Alt-Generalsekretär Dr. Felix Bister und Alt-Generalsekretärin Dr.in Marion Wisinger für die Langzeitarchivierung gesichert werden.
In dem umfangreichen Teilprojekt erfolgte eine Aufarbeitung dieses gesamten, wiedervereinigten Archivs der Liga nach archivalischen Gesichtspunkten (Projektleitung: Christopher Treiblmayr, Hauptbearbeiter: Mag. Thomas Tretzmüller, Praktikantinnen: Annemarie Pervan, Nicolin Irk). Es steht nun – nach Maßgabe des Datenschutzes – am Zentrum QWIEN (http://www.qwien.at/forschung-projekte/laufende-projekte/wiedererrichtung-und-oeffnung-eines-verschollenen-archivs-2018/) für die wissenschaftliche Forschung und eine interessierte Öffentlichkeit zur Verfügung.
weitere Informationen über das Thema und die Publikation von Dr. Schmale und Dr. Treiblmayr finden Sie hier.