Eine Nationale Strategie zur Vermeidung und Verringerung der Armut umzusetzen, die den schwächsten Gruppen Vorrang einräumt und Maßnahmen zur Bewältigung der kurz-, mittel- und langfristigen sozioökonomischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie umfasst
Proponent:
In Österreich zeigt sich ein differenziertes Bild der Armut: Aktuell sind 2,3% der Bevölkerung direkt von Armut betroffen, während 17,3% als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet gelten. Diese Einschätzungen berücksichtigen jedoch nicht die jüngsten Entwicklungen wie die hohe Inflation und steigende Lebenshaltungskosten in den Jahren 2022/2023, die zusätzliche Belastungen für einkommensschwache Haushalte bedeuten könnten.
Das Konzept der Armutsbekämpfung in Österreich und global orientiert sich nicht nur an finanziellen Indikatoren, sondern auch an einem umfassenden Ansatz, der Bildung, Gesundheit und den Lebensstandard einschließt. Ziel 1 der UN-Nachhaltigkeitsziele fordert eine nachhaltige Überwindung von Armut in all ihren Formen, was bedeutet, dass neben der Sicherung eines existenzsichernden Einkommens auch die Verbesserung der Chancengleichheit und Teilhabemöglichkeiten im Fokus steht. Für Österreich bedeutet dies konkret, neben materieller Unterstützung auch den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung und Bildung zu gewährleisten. Die Bewältigung der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen erfordert daher sowohl kurzfristige Maßnahmen als auch langfristige Strategien, um die soziale Ausgrenzung zu verringern und die Lebensqualität für alle Bevölkerungsgruppen nachhaltig zu verbessern. Besonders gefährdet sind Kinder, Frauen im Alter, Alleinerzieherinnen, Langzeitarbeitslose und Menschen ohne Staatsbürger:innenschaft. Menschen mit chronischen Erkrankungen stehen ebenfalls vor erheblichen Herausforderungen, und die hohen Wohnkosten bringen viele Menschen an den Rand.
Mehr als ein Fünftel aller von Armut und Ausgrenzung bedrohten Personen sind Kinder (22%, was 353.000 Kindern im Alter von 0-17 Jahren entspricht). Mehr als die Hälfte der Kinder, die in Ein-Eltern-Haushalten leben, sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet (52%), und Familien mit mindestens drei Kindern sind zu 30% betroffen. Auch unter den Pensionsbeziehenden sind insbesondere alleinlebende Frauen mit 28% überdurchschnittlich von Armut betroffen (siehe Aktuelle Armutszahlen in Österreich: https://www.armutskonferenz.at/armut-in-oesterreich/aktuelle-armuts-und-verteilungszahlen.html).
Die Zivilgesellschaft, darunter die Armutskonferenz, appelliert dringend an die Notwendigkeit folgender Maßnahmen, um die Armutsbekämpfung voranzutreiben: Es bedarf einer Mindestsicherung, die tatsächlich ausreicht, um ein menschenwürdiges Leben zu führen, eine qualitätsvolle, gut ausgebaute und für alle zugängliche soziale Infrastruktur ist von entscheidender Bedeutung, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, eine neue und innovative Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitpolitik ist erforderlich, um langfristige Lösungen für die Armutsproblematik zu schaffen und es müssen mehr und umfassende politische Partizipationsmöglichkeiten für Menschen geschaffen werden, die von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Dies ist entscheidend, um ihre Interessen und Bedürfnisse angemessen zu berücksichtigen. Diese Maßnahmen sind die ersten und entscheidenden Schritte im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung in Österreich (siehe FAQ auf der Website Armutskonferenz: https://www.armutskonferenz.at/armut-in-oesterreich/faqs-zum-thema-armut.html).
Die COVID-19 Pandemie hat auch in Österreich zu weitreichenden Beeinträchtigungen grundlegender Menschen- bzw. Kinderrechte geführt (persönliche Freiheit, Freizügigkeit, Bildung, Gesundheit etc.). Eine Aufarbeitung der Erfahrungen fehlt allerdings bislang; von der Bundesregierung wurde im Mai 2023 ein Analyseprozess unter Führung der Akademie der Wissenschaften angekündigt; unklar bleibt allerdings die Einbindung der Zivilgesellschaft in den Prozess.
Seitens des Netzwerks Kinderrechte Österreich wurde mit Unterstützung des Sozialministeriums im März 2023 ein „Corona-Sonderbericht“ veröffentlicht, der sich ausführlich mit den vielfach nachteiligen Folgen der Pandemiebekämpfung für Kinder auseinandersetzt (in den Bereichen Freiheitsrechte, Information und Partizipation, Bildung, Lehre, Freizeit, psychische Gesundheit, Armut, Gewaltschutz und Kinderrechte-Monitoring) ( Sonderbericht “Kinderrechte und Corona”: hier).
Das LBI-GMR führt 2023 zwei Projekte zum Kontext Krisenbewältigung und Kinderrechte durch, einschließlich einer Serie von Workshops mit Kindern und Jugendlichen zu ihren Erkenntnissen aus der Pandemie (Auf der Website ersichtlich: https://gmr.lbg.ac.at/forschung/menschenwuerde-und-oeffentliche-sicherheit/).
Während der COVID-19-Pandemie kam es verstärkt zu häuslicher Gewalt. Allerdings zeigt der aktuelle Stand der Dinge, dass Österreichs Maßnahmen und Ressourcen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt unzureichend sind. Die steigenden Fallzahlen von Gewalt in den eigenen vier Wänden während der Pandemie wurden von Nichtregierungsorganisationen wiederholt angesprochen. Weitere Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betreffen insbesondere eine erhöhte Selbstmordrate auch bei Jugendlichen und ein größerer Bedarf an psyochsozialer Betreuung.
Zu einer systematischen Aufarbeitung und Ursachenforschung kommt es von Seiten des Bundes derzeit nicht. Es wäre wünschenswert hier die Forschung voranzutreiben, nicht nur um den spezifischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie entgegenzutreten, sondern auch um Maßnahmen in einer zukünftigen vergleichbaren Krise menschenrechtskonformer gestalten zu können.